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In den Himmel springen und die Sterne fressen

99 Grotesken aus allen Zeiten

Erschienen am 20.04.2018, 1. Auflage 2018
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783737410823
Sprache: Deutsch
Umfang: 320 S.
Format (T/L/B): 2.3 x 22.2 x 13.8 cm
Einband: Leinen

Beschreibung

Menschen mit Goldfischen im Haar und Sicheln im Kopf, auf Scheiterhaufen halbverkohlte Feen, die in einem Wasserglas ertrinkende Ophelia, Schach spielende Kühe, grausig gutzende Golze und Zugreisende, die ihre Beine im Gepäck mitführen: Alfred Lichtenstein, Christian Morgenstern, E. T. A. Hoffmann, E. A. Poe, Paul Scheerbart, Ror Wolf, Laurence Sterne, Flann O'Brien, François Rabelais, Karl Valentin, Friedrich Dürrenmatt, Kurt Schwitters, Hunter S. Thompson, Gustav Meyrink, Daniil Charms und viele andere geniale Vertreterinnen und Vertreter des grotesken und absurden Genres, der 'Königsklasse des Humors' (Dürrenmatt-Spezialist Peter Rüedi), laden ein zu einer schaurig-komisch-unheimlichen Geisterbahnfahrt durchs Reich der Satansbraten, Exzentriker, Dummbatzen, Hexen und Dämonen. Gleichzeitig furiose Lektüre und wirksame Medizin gegen den real existierenden Schwachsinn.

Autorenportrait

Walter Gerlach, Jahrgang 1943, Autor in Frankfurt am Main. Letzte Buchveröffentlichung: Frankfurter Walzer. Eine Groteske. Waldemar Kramer Verlag, Wiesbaden 2016 / Als Herausgeber: Dem Kuttel sein Daddel sein du. Komische Gedichte. Marixverlag, Wiesbaden 2014 / Schwarzbuch Rassismus (zus. mit Jürgen Roth). Wallstein Verlag, Göttingen 2012

Leseprobe

ALFRED LICHTENSTEIN Gespräch über Beine Als ich im Coupé saß, sagte der Herr gegenüber: 'Ihnen kann man die Beine nicht abtreten.' Ich sagte: 'Wieso?' Der Herr sagte: 'Sie haben keine Beine.' Ich sagte: 'Merkt man das?' Der Herr sagte: 'Natürlich.' Ich nahm meine Beine aus dem Rucksack. Ich hatte sie in Seidenpapier eingewickelt. Und als Andenken mitgenommen. Der Herr sagte: 'Was ist das?' Ich sagte: 'Meine Beine.' Der Herr sagte: 'Sie nehmen die Beine in die Hand und kommen dennoch nicht weiter.' Ich sagte: 'Leider.' Nach einer Pause sagte der Herr: 'Was gedenken Sie ohne Beine eigentlich zu tun?' Ich sagte: 'Darüber habe ich mir den Kopf noch nicht zerbrochen.' Der Herr sagte: 'Ohne Beine können Sie nicht einmal ohne Schwierigkeit Selbstmord begehen.' Ich sagte: 'Das ist aber ein fauler Witz.' Der Herr sagte: 'Nicht doch. Wenn Sie sich erhängen wollen, müsste Sie einer erst auf das Fensterbrett heben. Und wer wird Ihnen den Gashahn öffnen, wenn Sie sich vergiften wollen? Den Revolver könnten Sie sich nur heimlich durch einen Dienstmann besorgen lassen. Wie aber, wenn Ihnen der Schuss davonläuft? Um sich zu ertränken, müssten Sie ein Auto nehmen und sich auf einer Tragbahre von zwei Pflegern in den Fluss schleppen lassen, der Sie an das jenseitige Ufer befördern soll.' Ich sagte: 'Das ist doch wohl meine Sorge.' Der Herr sagte: 'Sie irren, ich überlege, seitdem Sie da sind, wie man Sie aus dieser Welt schaffen könnte. Meinen Sie, ein Mensch ohne Beine sei ein sympathischer Anblick? Habe auch Existenzberechtigung? Im Gegenteil, Sie stören das ästhetische Gefühl Ihrer Mitmenschen erheblich.' Ich sagte: 'Ich bin ordentlicher Professor für Ethik und Ästhetik an der Universität. Darf ich mich vorstellen?' Der Herr sagte: 'Wie wollen Sie das machen? Sie können sich selbstverständlich nicht vorstellen, wie unmöglich Sie sind.' Ich betrachtete melancholisch meine Stummel.