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Buchtipps - Biographie

Die Biografie  von Doris Lessing ist keine Liebeserklärung an die Mutter, denn die schwierige Emily Maude und ihre rebellische Tochter waren sich zeitlebens fremd. Erzählt wird die Geschichte einer Frau, die wenig liebevoll im viktorianischen Stil erzogen, mit ihrem Mann und den Kindern fernab der Heimat erst in Persien und später in Rhodesien lebt. So ist der Text auch teilweise eine Autobiografie der Literaturnobelpreisträgerin, nüchtern und sachlich geschrieben und aus dem Englischen übersetzt von Adelheid Dormagen.

Mit diesen "Erinnerungen an meinen Vater Gabriel Garcia Marquez" hat der ältere Sohn Rodrigo Garcia  seinen Eltern ein warmherzig und wunderbares literarisches Denkmal gesetzt. Beschrieben werden die letzten Tage des großen kolumbianischen Schriftstellers, es tauchen aber auch viele Erinnerungen aus einer reichen Vergangenheit auf und schließlich gibt es ein Kapitel über den späteren Tod der Mutter. Passende Zitate aus dem umfangreichen Werk Gabos, ausdrucksstarke Fotografien und eine Chronologie runden diese außergewöhnliche Biografie ab.

Caspar David Friedrichs Reise durch die Zeit beginnt vor 250 Jahren. Als Maler der Romantik ist er in seiner Epoche weitestgehend unbedeutend, richtig entdeckt wir er erst viel später und heute gilt er als einer der wichtigsten deutschen Künstler. Der Autor, der schon über andere Zeitalter ebenso gekonnt wie unterhaltsam geschrieben hat, schafft hier einen großartigen Auftakt zu vielen Kunstausstellungen im Jubiläumsjahr 2024.

Im Salon der Künste empfing in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts die Amerikanerin in Paris zusammen mit ihrer Lebenspartnerin Alice B.Toklas berühmte Maler und Schriftsteller wie Matisse und Picasso, Fitzgerald, Hemingway und Pound. In dieser großartigen Graphic Novel wird die besondere Zeit in Bildern und Geschichten trefflich wiedergegeben. Das Buch wurde von Ingrid Ickler aus dem Italienischen übersetzt und vom Kunstverlag Knesebeck verlegt.

Änne ist hochbetagt, als sie ihrem Sohn eine Kiste mit alten Briefen übergibt: die Feldpost ihrer vier Brüder Franz, Hans, Alfons und Willi, die alle nicht aus dem Krieg zurückkehrten. Behutsam und akribisch rekonstruiert der Journalist Reinhold Beckmann das Leben seiner Mutter zwischen frühen Verlusten, dem Leben in einem Dorf bei Osnabrück, ihrer Ausbildung und dem aufziehenden Nationalsozialismus - eine berührende Biographie, die zeigt, welche Auswirkungen die große Politik für Menschen fernab der Macht haben kann.

"Die Liebe seines Lebens", das ist für Thomas Mann und auch seine Familie das Meer, Sehnsuchtsort und Todesahnung zugleich. Der prominente Literaturkritiker Volker Weidermann arrangiert gekonnt unzählige Zitate aus Leben und Werk des Nobelpreisträgers und entwirft so eine ganz neue Biographie unter besonderem Vorzeichen, stilistisch wunderbar geschrieben.

Die erste Graphic Novel, die ich gelesen habe und eine großartige dazu, was natürlich auch dem hervorragenden Thema geschuldet ist. "Ich möchte im Leben alles" ist der denkwürdige Untertitel dieser zeitgemäßen Biographie, die in Form und Inhalt vollkommen überzeugt und hoffentlich dafür sorgt, dass Simone de Beauvoir als Feministin, Philosophin und Sozialistin nicht in Vergessenheit gerät.

Eine mehr als ungewöhnliche Biographie hat Chelsea Manning, die 2010 als US-Geheimdienstanalystin geheime Dokumente u.a. über Tötungen von Zivilist:innen aus dem Irakkrieg schmuggelte und auf der Plattform WikiLeaks veröffentlichte. Sie erzählt packend über ihre schwierige Kindheit und Jugend, ihre Karriere im Militär und die lange Zeit im Gefängnis bis zu ihrer Begnadigung durch Barack Obama 2017. Besonders berührend ist die Schilderung ihrer Transition zur Frau, die in Militär und Knast besonders schwierig waren.

Bewegend, spannend und auf der Grundlage zahlreicher Dokumente erzählt Rebecca Donner das Leben ihrer Urgroßtante Mildred Harnack. Diese war 1929 aus den USA nach Deutschland immigriert und sammelte mit ihrem Mann Arvid einen Kreis widerständiger Akademiker um sich, aus dem das Widerstandsnetz "Rote Kapelle" entstand. 1942 wurde Mildred verhaftet und - auf Sonderbefehl Hitlers - zum Tode verurteilt und hingerichtet. Eine persönliche Biographie über eine unbekannte Widerstandskämpferin.

Erneut folgt die Literaturwissenschaftlerin Unda Hörner auf vielseitige Weise bedeutenden und berühmten Frauen durch ein ganzes Jahr. Hannah Arendt, Simone de Beauvoir, Frida Kahlo, Else Lasker-Schüler, Erika Mann und viele andere erwarten im Schicksalsjahr 1939 ein Leben im Exil, wobei die einzelnen Lebenswege stets vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen und politischen Ereignisse beleuchtet werden. Eine sehr erhellende, kunstvolle und durchaus spannende Lektüre.