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Die wilde Frau

Mythische Geschichten zum Staunen, Fürchten und Begehren

Erschienen am 23.02.2009, 1. Auflage 2009
Auch erhältlich als:
Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783424350067
Sprache: Deutsch
Umfang: 304 S.
Format (T/L/B): 3 x 21.9 x 14.5 cm
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

Am Anfang war die Frau

Sie zaubern, betören und machen sich die Männer Untertan. In den Mythen der Völker haben Frauen einen erlesenen Ort: als Verführerinnen, Hexen, Nymphen, Feen oder Amazonen. Die preisgekrönte Kulturwissenschaftlerin Claudia Schmölders hat die schönsten, unheimlichsten und abgründigsten Frauen-Geschichten gesammelt. Eine literarische Weltreise zu den ältesten Zeugnissen weiblicher (All)Macht.

Unter allen dringlichen Frauenfragen ist noch immer am aufregendsten die nach der weiblichen Geschichte und Autonomie.
Dieses Buch hier ist den mythischen Wurzeln jener Geschichte gewidmet: der ältesten, phantastisch überlieferten Ahnfrau in ihrem elementaren, diesseitigen und jenseitigen Rollen: Mutter, Medizinfrau, wilde Köchin, Verführerin, Amazone, Hexe, Fee, Tierbraut, Pflanze, Wetter und Gestirn, Regenfrau und Wasserweib.
Rund sechzig Erzählungen von meist außereuropäischen Naturvölkern: nord- und südamerikanische Indianer, Eskimos, afrikanische Eingeborene, australische Aborigines.
Ein Versuch, in zwölf Kapiteln den gewaltigen Bogen zu spannen, den der mythische Erzähler einst in der Hand hielt, um sein liebstes Phantom zu treffen.
Dieser mythischen Phantasie, unter deren Hand das Diesseits mit dem Jenseits zusammenspielt, dieser ''wilden'' Entwurfs-Instanz auch des weiblichen Selbstbildes ist das Nachwort gewidmet.

Autorenportrait

Claudia Schmölders, Jahrgang 1944, studierte Germanistik, Philosophie und Musikwissenschaft. Die langjährige Verlagslektorin war 1991-92 Fellow am Wissenschaftskolleg zu Berlin. Seit 1998 lehrt sie als Privatdozentin am Kulturwissenschaftlichen Seminar d

Leseprobe

Aus feministischer, aber auch literarischer Leidenschaft ist dieses Buch vor rund einem Vierteljahrhundert entstanden. Es verdankte sich damals wie heute dem Fundus der größten deutschsprachigen Sammlung von "Märchen der Weltliteratur" aus dem Diederichs Verlag. Pünktlich zum hundertsten Geburtstag von Grimms "Kinder- und Hausmärchen" wurde diese Reihe vom Verleger Eugen Diederichs 1912 lanciert, und schon damals enthielt sie neben den allbekannten Zaubermärchen alle möglichen anderen Erzählformen, Alltagserzählungen, Tiergeschichten, Schwänken, Legenden und eben auch "Mythischen Geschichten" aus schamanischem Erbe. Vor allem dieser rituellen Fantasie und ihren Frauenfiguren war und ist das vorliegende Buch gewidmet: Rund sechzig Erzählungen aus meist vorschriftlichen und meist außereuropäischen Kulturen; Geschichten von Sibirien bis Afrika, von den Eskimos bis zu den Indianern, aufgeteilt auf zwölf Kapitel mit Rollenporträts einer teils jenseitigen, teils diesseitigen Erscheinung: Die Allmutter neben der Köchin, die Fee neben der Jägerin, die Sternenfrau neben der Gärtnerin, und so fort. Aber gehört diese epische Galerie noch heute ins Feld der feministischen Selbstermunterung? Damals ging es natürlich genau darum; der Titel zielt ja ausdrücklich auf die Rolle der erzählenden Fantasie samt Emotionen im Entwurf eines weiblichen Selbstbildes. Aber steht das nun heute wieder infrage? Von einem getrennten Diesseits und Jenseits will man jedenfalls gar nichts mehr wissen. Wie sehr der Glaube daran aber die Vorzeit beherrscht hat und wie kunstvoll man trotzdem einen Verkehr zwischen den Welten arrangieren wollte, 10 lässt sich den Geschichten aber unschwer entnehmen. Es zieht sich gewissermaßen ein Bruch durch das Leben dieser Figuren, eine Störung durch die Ferne und Ungreifbarkeit des Imaginären, das Marina Warner, die große Dame der britischen Mythographie, jüngst gar dem Status des Gespenstischen zugeordnet hat. Dieser Bruch, diese phantastische Differenz zwischen dem, was ist und dem, was sein könnte, inspiriert zu den tollsten Handlungsfiguren. Die erzählte Frau spielt dabei, sehr ambivalent, als Schutzschild und Sehnsuchtsgestalt wie auch als Schreckbild und Drohfigur eine zentrale Rolle. Kernaufgaben wie Verführen, Gebären, Pflanzen, Heilen, Opfern fallen ihr zu. Die erstaunlichsten Geister und Temperamente haben diese Sammlung genutzt: fachkundige Märchen- und Brauchtumsforscher ebenso wie Frauen auf der Suche nach der Großen Mutter, Anhänger des Druidenkults ebenso wie Jünger der keltischen Mythologie und Heilkunde, Lehrer der spirituellen Psychologie oder Connaisseure schamanischer Rituale. Offenkundig bestärkt die Lektüre innere Bilder von Wolfsfrauen, Feuergöttinnen, Sonnenheiligen, von der Macht der Tiere, der Weisheit der Vegetation und der kosmischen Abläufe. Die Macht solcher inneren Bilder hat die neuere Forschung seit Langem beschäftigt. Immunisieren sie uns einfach gegen unsere eigene historische Realität oder wirken sie eher belebend und stärkend? Aus einer historischen Realität stammen die Geschichten dieses Bandes natürlich auch selber, nur ist sie längst vergangen und bloß noch mit einem geschulten Auge aufzurufen. Für einbildungskräftige Leser dagegen treten hier, auf der großen Bühne der frühen Weltliteratur, durchaus zeitlose Typen auf: Töchter und Ehefrauen, Geliebte und Gehasste, Schöne und Hässliche, Ungehorsame und Fürsorgliche, Opfer und Täterinnen. Manche sind unterwegs in den Himmel, andere in die Unterwelt; manche schaden den Männern, andere helfen ihnen, manche widmen sich der Nahrung und gehen in der Pflanzenwelt auf, andere leben mit Tieren und wieder andere werden als Fee oder göttliche Welturheberin oder Unterweltsherrin angesehen. "In der Tiefe des Meeres wohnt eine Frau, die Anarquagssaq heißt. Sie sitzt in ihrer Behausung vor ihrer Lampe, unter der ein Gefäß steht, in das der Tran träufelt, der von der Lampe herabtropft", beginnt eine lakonische Eskimogeschichte aus dem Stoff der Albtr Leseprobe